Breite und Spitze: Die Amateurmusiklandschaft in Deutschland
Blasorchester und Bigbands, Konzertchöre und Kantoreien, Sinfonieorchester und Spielmannszüge, Vokalensembles und Jazzcombos, Kinder-, Jugend- und Seniorenchöre und -orchester, Zupf- und Akkordeonorchester, Auswahlensembles, Gospel-, Pop-, Jazz- und Posaunenchöre – die Amateurmusikszene in Deutschland ist außergewöhnlich vielfältig und reicht von A wie a cappella bis Z wie Zupfmusik. Sie ist jung und alt, sie ist instrumental und vokal, sie ist kirchlich und weltlich, sie ist „E“ und „U“: Jede musikalische Ausdrucksformen findet sich wieder. Das Spektrum ist ebenso ausdifferenziert wie die favorisierten Musikstile und -epochen, das Repertoire, der Probenturnus, die Auftrittsformate und vieles mehr. Vom klassischen Konzert über Gottesdienst bis zum Flashmob, vom Barbershop-Quartett bis zum Bundesjugendorchester: Chorszene und Orchesterkultur sind so bunt und so vielfältig wie unser Land.
Allen gemeinsam ist die Leidenschaft fürs Musikmachen und das gute Gefühl, in der Gemeinschaft mit anderen Menschen aktiv zu sein. Amateurmusik – das sind Chorgesang und Instrumentalmusik in ihrer ganzen Vielfalt, aber immer selbstgemacht.
Insgesamt machen rund 14 Millionen Menschen in ihrer Freizeit Musik. Damit ist das Amateurmusizieren eine der größten Bewegungen bürgerschaftlichen Engagements in Deutschland: Jede/r sechste Bundesbürger/in ist dabei!
Die einen sprechen von Amateurmusik, andere von Laienmusik, zuweilen ist auch von Breitenmusik die Rede. Gemeint ist jeweils die nichtberufliche Ausübung des Musizierens – in Abgrenzung vom professionellen Bereich, in dem die Künstlerinnen und Künstler für ihre Musik bezahlt werden. Das ist die Definition von Amateurmusik. Amateure leben nicht von der Musik, sondern für die Musik …
Wichtig ist zu wissen, dass damit keine Aussage über die Qualität der Musik getroffen ist! Die Amateurszene hat Breite und Spitze zugleich, denn qualitätsvolle Breitenarbeit ermöglicht musikalische Entwicklungen bis zur Spitze. Die Amateurmusik hat qualitativ absolut Vorzeigbares zu bieten bis hin zum semiprofessionellen Bereich. Doch ohne eine breite Basis wäre eine Spitze nicht denkbar, es braucht beides.
Der Begriff Amateur kommt vom lateinischen amare = lieben. Amateure lieben, was sie tun. Amateurmusikerinnen und -musiker singen und spielen mit großer Leidenschaft. Aber sie verdienen nicht ihren Lebensunterhalt damit.
Nach Angaben des Deutschen Musikinformationszentrum gibt es jedes Jahr schätzungsweise 300.000 Chorkonzerte, die rund 60 Millionen Menschen erreichen. Rechnet man eine mindestens ebenso große Besucherzahl von Instrumentalmusikkonzerten hinzu, wird die Bedeutung der Amateurmusik für das kulturelle Leben und die Freizeitgestaltung in Deutschland deutlich. Insbesondere in ländlichen Regionen sind es oft die Amateurorchester, die kulturelle Angebote erreichbar machen.
Amateurchöre und -orchester zeichnen sich zunächst dadurch aus, dass ihre Mitglieder selbst aktiv Musik machen und vor Publikum auftreten. Das gemeinsame Singen und Musizieren zeigt positive soziale Effekte. Die Musikgruppen und -vereine bilden eine stabile Struktur und engagieren sich über die Musik hinaus oft auch für das Zusammenleben in der Gemeinde.
Bei der musikalischen Ausbildung von jungen Menschen und Erwachsenen spielen diese Vereine eine wichtige Rolle. Etwa die Hälfte der Vereinsmitglieder sind Kinder und Jugendliche, die hier ihr Instrument erlernen. Damit leistet die Amateurmusik – nicht nur, aber ausdrücklich auch in Regionen abseits der großen Zentren – einen wesentlichen Beitrag zur kulturellen Bildung in Deutschland.
Nur durch den hohen Anteil ehrenamtlicher Arbeit ist es möglich, ein solch breites Angebot an kulturellen Aktivitäten zu schaffen. Gerade für ältere Menschen ist das Engagement im Ehrenamt sinnstiftendes Element, und es stärkt den Zusammenhalt unterschiedlicher Generationen und sozialer Schichten in der Gesellschaft.
Schließlich ist die Amateurmusik auch ein nicht zu vernachlässigender Faktor der Wirtschaft. Noten, Instrumente, Kleidung und weiteres Zubehör werden benötigt. Die Amateurmusik beschäftigt Klavier- und Instrumentenbauer, Musikhäuser und Veranstaltungstechniker, Verwertungsgesellschaften und Gastronomen. Als Chorleiter und Dirigenten finden nicht wenige studierte Musiker einen Haupt- oder Nebenerwerb. Und andererseits sind die Amateure wiederum häufig Besucher in anderen Konzerten, z.B. kommerzieller Anbieter.
Hier zeigen wir verschiedene Veröffentlichungen auf, die sich mit der Amateurmusik in Deutschland beschäftigen.
Amateurmusiklandschaft im Überblick
In ihrem Aufsatz schreibt Astrid Reimers über die Wirkungskraft von Chören, Orchestern und Verbänden:
Reimers, Astrid, Amateurmusizieren, in: Deutscher Musikrat/Deutsches Musikinformationszentrum (Hrsg.), Musikleben in Deutschland, Bonn, 2019
Amateurmusikvereine in ländlichen Räumen
Lorenz Overbeck blickt auf die Amateurmusikszene insbesondere in ihrer Bedeutung im und für den ländlichen Raum und fordert ein spartenübergreifendes Denken bei der Ausprägung kommunaler Bildungslandschaften:
Overbeck, Lorenz, Zur Bedeutung des vereinsgetragenen Amateurmusizierens in ländlichen Räumen, in: Kulturelle Bildung online,
https://www.kubi-online.de/artikel/zur-bedeutung-des-vereinsgetragenen-amateurmusizierens-laendlichen-raeumen, 2018, Zugriff am 31.10.2019